Das Anschlussgleis Bauschowitz-Theresienstadt

Zeugnisse und Spuren

Obwohl nahezu alle Gleise, Anlagen inklusive Signalanlagen in der Nachkriegszeit rückgebaut wurden, sind an verschiedenen Orten Reste der Bahnanlage bis heute erhalten geblieben: Unterhalb der Bastion III, die im Ghetto unter dem Namen Südberg bekannt war, ist ein Abschnitt sichtbar. Weitere Reste der Bahngleise befinden sich stadtauswärts auf Höhe des Ravelin XVIII. Sie verlaufen unmittelbar vor dem ehemaligen Kolumbarium, das heute eine Einrichtung der Gedenkstätte ist. Zwischen dem südlichen Stadtrand und Bohušovic sind Gleise zwar nicht mehr vorhanden, dafür ist die Trassenführung in der Topographie jedoch außergewöhnlich gut nachvollziehbar. Aufgeschaufelte Dämme und Einschnitte markieren bis heute die Trasse, die zahlreiche Grundstücke durchschnitt und damals wie heute eine Barriere für die Bewirtschaftung der Felder darstellt. Der aufmerksame Spurensucher wird entlang der Bahnstrecke an diversen Stellen Reste des 1942/43 verbauten Schotters entdecken.

Der Verlauf der Bahntrasse 1943 – 1945

ZITIERHINWEIS

Fischer, Uta, Theresienstadt 1941-1945 – Materielle Zeugnisse und Spuren. Das Anschlussgleis Bauschowitz-Theresienstadt, Berlin 31.3.2016, (Zugriffsdatum).

URL: https://ghettospuren.de/project/gleise-und-bahntrasse/

Historische Aufnahmen aus der Zeit 1944-1945

Bauliche Zeugnisse

Alle ankommenden und abgehenden Häftlingstransporte nach Theresienstadt wurden bis zur Inbetriebnahme eines Anschlussgleises am Bahnhof Bauschowitz-Theresienstadt (heute Bohušovice) abgefertigt. Häftlinge mussten die letzte Wegstrecke unter Bewachung einer Transportpolizei zu Fuß gehen bzw. wurden auf der Ladefläche eines LKW zum Lager transportiert.

Vorüberlegungen für das Projekt gab es bereits Ende 1941. Siegfrid Seidl verlangte zum Beispiel, dass ein Experte für Eisenbahnbau in die Liste der Mitglieder des Aufbaukommandos aufgenommen wird. Bis zum Sommer 1942 wurde die Planung bis zur Genehmigungsreife vorangetrieben.

Eine Kommission, welche am 13. August 1942 in der SS-Lagerkommandantur in Theresienstadt wegen des Eisenbahnbauvorhabens tagte, stimmte einstimmig den Planungsvorlagen mit wenigen Änderungswünschen zu. Die Niederschrift zur Sitzung vermerkte: „Der Entwurf wurde vom Ministerium für Verkehr und Technik im Auftrag des Herrn Reichsprotektors in Böhmen und Mähren grundsätzlich genehmigt.“ Die Kommission bestätigte zudem, dass für den Bau und den Betrieb der Schleppbahn Grundstücke und Rechte „unbedingt erforderlich seien“ und ein Enteignungsverfahren durchzuführen ist.1 Es folgte der Antrag auf Baubewilligung bei der Eisenbahndirektion in Prag, welche das Vorhaben kurz darauf genehmigte. Als Bauherr fungierte der Auswanderungsfonds Böhmen und Mähren, vertreten durch den Geschäftsführer Dr. Reisinger. 2

Auf Befehl von Lagerkommandant Siegfrid Seidl begann die Eisenbahnmannschaft mit zunächst 50 Mann am 17. August 1942 mit dem Bau der 2,5 Kilometer langen Strecke.3 Die Bauausführung war zu einem großen Teil in der Zuständigkeit der Jüdischen Selbstverwaltung. Eigens für den Bahnbau wurden neue Ämter eingerichtet: zum Beispiel T/31 Eisenbahnbau, T/311 Eisenbahnbau für Rechnung der Firma Figlovsky, T/32 Straßenbau und T/324 Sicherungs- und Signalwesen. „An 245 Arbeitstagen haben etwa 300 Personen in zwei Schichten bei jedem Wetter unter der Leitung von 4 Ingenieuren 19.000 m³ Erdreich abgegraben, verführt und in Dämme geschüttet, 1.500 m³ Mauerwerk der Befestigungsanlagen abgetragen, 2.800 m³ Schotter abgeladen und als Gleisbettung eingebracht sowie 2.600 m Gleise und 4 Weichen montiert. 180 Tonnen Eisen, 4.800 Schwellen und 5.000 Tonnen Schotter wurden verbraucht“.4 Am 1. Juni 1943 wurde die Bahnlinie  in Betrieb genommen. Ein Foto  hielt diesen Moment fest.


1 Niederschrift, aufgenommen am 13.8.1942 in der Lagerkommandantur, Jüdisches Museum Prag, Bestand Terezín/Theresienstadt, DOCUMENT.JMP.SHOAH/T/2/A/6/255b/005/001

2 Ebenda
3 Aktenvermerk über Vorsprache bei SS Obersturmführer Dr. Seidl, am 14. 8.942 Kd/Ste, Jüdisches Museum Prag, Bestand Terezín/Theresienstadt, DOCUMENT.JMP.SHOAH/T/2/A/6/255b/005/001

4 H.G. Adler: Theresienstadt 1941 – 1945, Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft, Mohr – Verlag, Tübingen, 2. Aufl. 1960, S. 133f, 266 ff

Die Linienführung sah ein einfaches Anschlussgleis zwischen dem Bahnhof Bauschowitz an der Eger (Bohušovice nad Ohrí) und Theresienstadt vor, das sich in zwei Abstellgleise gabeln und als Auszuggleis auslaufen sollte.1 Zwei Gleise mündeten in L 2 (Längsstraße 2 / Bahnhofstraße), wobei das Auslaufgleis auf Höhe der Adressen L 225 und L 214 endete. Ein weiteres Gleis verlief entlang der Kaserne A II bis zum Beginn von L1 (Längsstraße 1/ Seestraße), wo auch eine Laderampe errichtet wurde. H.G. Adler kommentierte dies mit bissiger Ironie: „…und so hatte das Lager auch einen „Güterbahnhof.“ 2 Doch es ist eine Tatsache, dass die Schleppbahn in erster Linie dem Transport von Gütern und Material dienen sollte und bis Kriegsende diese Funktion auch erfüllte.

Es gab auch Pläne die Strecke zu erweitern, sie kamen jedoch nicht mehr zur Umsetzung.


1 H. G. Adler: Theresienstadt 1941 – 1945, Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft, Mohr – Verlag, Tübingen, 2. Aufl. 1960, S. 133
2 Ebenda

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