Q 414 – SS-Kommandantur

nám. ČSA 181, 411 55 Terezín, Tschechische Republik


Hauseigentümer vor Zwangsaussiedlung

Stadtsparkasse

Adresse vor Zwangsaussiedlung

Marktplatz 181
Náměstí 181

Orientierungs-Nr. im Ghetto

Q 414
Block D IV, 1. Bezirk

Adresse
„Verschönerung“

Neue Gasse 14


Q 414 – Spuren und Zeugnisse

Die SS war im Ghetto Theresienstadt stets darum bemüht, möglichst unsichtbar zu bleiben – andernfalls wäre die Propaganda-Lüge vom „jüdischen Siedlungsgebiet“ nicht zu halten gewesen. Dennoch hat die NS-Organisation Spuren hinterlassen. Eindringliche Zeugnisse ihrer Verbrechen finden sich noch heute im ehemaligen „Bunker“. Am zentralen Stadtplatz befindet sich ein Eckgebäude mit einem markanten Türmchen, das damals wie heute die Stadtsilhouette prägt: Hier befand sich die SS-Lagerkommandantur.

Nachdem sie anfänglich in L 414, der ehemaligen Divisionskommandantur, residiert hatte, zog sie im August 1942 in Q 414 und Q 416 um. Auf Befehl der Gestapo entstanden im Keller von Q 414 sogenannte Bunkerräume. Offiziell galten die Räume als Luftschutzkeller. Doch tatsächlich waren es Arrestzellen. Hier wurden Häftlinge, die z.B. gegen die Lagerordnung verstoßen hatten, von der SS verhört, wahrscheinlich regelmäßig gefoltert und bis zu fünf Monate festgehalten.1 Von dem ersten Lagerkommandanten Siegfried Seidl ist beispielsweise bekannt, dass er eine unbekannte Zahl von Häftlingen folterte und töten ließ, in einigen Fällen wahrscheinlich auch unter eigener Beteiligung – stets im „Bunker“, wo das Risiko zufälliger Augenzeugen ausgeschlossen war.2

Der Überlebende Dr. Alfred Saxl,3 der damals in der Ghettoambulanz als Arzt tätig war, berichtete nach dem Krieg, dass mehrmals Häftlinge mit gebrochenen Gliedern infolge physischer Misshandlungen und Schlägen weggebracht wurden. Über Arthur Müller ist zum Beispiel bekannt, dass er mit Peitschenhieben am ganzen Körper traktiert wurde, tagelang kein Essen bekam und auf den Boden einer feuchten Zelle schlafen musste. Er starb infolge der Folter in der Haft. Und der Häftling Dr. Heinrich Klang, sah, wie Ende Mai 1943 in ein bis zwei Dutzend Fällen Särge weggebracht wurden.

Der heutige bauliche Bestand ist nahezu unverändert. Sämtliche Zellen wurden zwar nach Kriegsende bereinigt – aber Wände und Zellentüren sind erhalten und werden als Mieterkeller genutzt. Die Zellen Nr. 1 bis 5 verteilen sich auf zwei schmale Seitengänge, die Zellen Nr. 6 und Nr. 7 befinden sich im Hauptgang in unmittelbarer Nähe der Treppe. Überraschend ist, wie viele Inschriften an Zellentüren, vor allem an Türblättern und Türzargen, erhalten geblieben sind. Sie entstanden offenbar zwischen 1942 und 1944, wobei die meisten Inschriften dem Jahr 1943 zuzuordnen sind. Es ist davon auszugehen, dass Häftlinge weitaus mehr Zeugnisse an Wänden hinterlassen haben, infolge der Flut im Jahr 2002 sind diese jedoch verloren gegangen.

1 Die Haftdauer von fünf Monaten bezieht sich auf die noch existierende Inschrift eines unbekannten Häftlings im Keller der SS-Kommandantur.     Die Inschrift ist im Abschnitt Inschriften-Kalender dokumentiert.
2 Tomáš Fedorovič: Der Theresienstädter Lagerkommandant Siegfried Seidl. In: Theresienstädter Studien und Dokumente Nr. 10/2003,.S.164
3 Diese und die folgenden Aussagen über Häftlinge im SS-Bunker: In ebd.,S.180

Heutige adresse

Q 414 – SS-Kommandantur

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ZITIERHINWEIS

Fischer, Uta, Theresienstadt 1941-1945 – Materielle Zeugnisse und Spuren. Q 414 – SS-Kommandantur, Berlin 31.3.2016, (Zugriffsdatum).

URL: https://ghettospuren.de/project/q-414/

Bauliche Zeugnisse und Ausstattung

INSCHRIFTEN – GLAUBE UND HOFFNUNG

Häftlinge, die in den Folterkeller verschleppt wurden, war ihre hoffnungslose Lage zumeist bekannt: Viele der noch existierenden Inschriften zeugen daher nicht ohne Grund von der Zuwendung zu Gott. Die Mehrzahl der Häftlinge, die solche Nachrichten hinterließen, fühlten sich dem Christentum verbunden. Nur in einem Fall deutet die Zeichnung eines Davidsterns darauf hin, dass auch Häftlinge mit jüdischer Religion inhaftiert wurden.

 

INSCHRIFTEN – HEIHMWEH UND SEHNSUCHT

Es existieren zahlreiche, in der Regel sehr einfache und persönliche Botschaften, die Gefühle wie Heimweh und Sehnsucht nach einem geliebten Menschen und der Familie zum Ausdruck bringen.

INSCHRIFTEN – KALENDER

Dass in der Gefangenschaft „Zeit“ und die zeitliche Orientierung eine wichtige Rolle spielte, belegen mehrere Strichkalender. Die Häftlinge mussten hier offenbar nicht nur wenige Tage verbringen, sondern waren wochenlang, in einem Fall sogar fünf Monate inhaftiert. In einem anderen Fall bricht die Nutzung des Kalenders jäh ab.

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