Ghettospuren.de_©Kilian_Kirchgeßner_2015
Ghettospuren.de_©WILDFISCH_Roland_Wildberg_2015_Heil_Hitler_Artilleriekaserne

In der ehemaligen Artilleriekaserne von Theresienstadt/Terezín (im Ghetto die Bodenbacher Kaserne) wird zur Zeit ganz groß aufgeräumt: Die Stadt saniert das 230 Jahre alte Riesenhaus mit EU-Hilfe; es soll hoffentlich bald einer Schule oder anderen Bildungseinrichtungen zur Verfügung stehen. In diesem Durcheinander von Bauarbeiten, Fahrzeugen und Schutthaufen haben wir jetzt auch nach Spuren aus der Ghettozeit gesucht, um sie auf www.ghettospuren.de zu zeigen. Der Hinweis kam übrigens von Jiři Hofmann, einem Historiker, der sich sehr für Festungen interessiert und – kein Zufall! – in Theresienstadt auch als Bauforscher tätig ist. Das beeindruckendste Zeugnis aus jenen Tagen liegt hinter einer Mauer verborgen: das Manifest eines unbekannten deutschen Soldaten.

Dazu muss man wissen, dass vor der Umwandlung der Stadt in ein Zwangsghetto mehr als ein Jahr Verbände der deutschen Wehrmacht in Theresienstadt stationiert waren. „Heil Hitler!“ schrieb einer der Männer auf Sütterlin – die damals gebräuchliche Schreibschrift – an die Wand. Er schreibt noch mehr, aber nichts wirklich Substantielles. Ich habe auch keine Lust zum Lesen, denn ich kann mich diesem zweifelhaften Graffito nur wie eine Schnecke nähern: Vorsichtig rutsche ich Zentimeter für Zentimeter auf dem Rücken liegend durch den Staub und in eine ca. 30×50 cm große Öffnung auf Fußbodenniveau. Der Korrespondent Kilian Kirchgeßner hat das – und mein Gefluche – in Bild und Ton festgehalten. Die Lampe steht bereits in dem engen Loch, ich habe sie zuvor mühsam hineinmanövriert. Wozu wurde das zugemauert? Wir wissen es (noch) nicht. Ich weiß nur: Es ist total anstrengend, hier bei ca. 5 Grad über Null herumzuturnen, nur um ein Foto von einer Kritzelei zu machen. Da liege ich in grotesker Haltung unter diesem gekrakelten Heilswunsch, habe panische Angst, die Linse an einem Stein zu zerkratzen, und kriege einen Krampf in der Schulter. Und das alles nur wegen Hitler. 70 Jahre nach Kriegsende, kommt mir in den Sinn, hat dieser Typ immer noch so viel Macht, um mich in den Staub zu zwingen. So ein Mist. Dann drücke ich ab.

Die Eindrücke von dieser Spurensuche hat Kilian Kirchgeßner auch in einer Radioreportage festgehalten:
LINK zum D-Radiobeitrag

Text: Roland Wildberg | Fotos: ©Kilian Kirchgeßner und ©WILDFISCH, Roland Wildberg & Uta Fischer

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